STAMMBUCH DER HAUSBESITZER IN AIDENBACH
Aidenbach, den 9. Juni 2006 | Gerlinde Lichtmannecker, geb. Metz | Herausgeber
Der katholische Priester Joseph Pamler, der auch die Chronik des Marktes Aidenbach verfasste, hat im Jahre 1855 ein „Stammbuch der Hausbesitzer und Familien in Aidenbach“ begründet. Das 582 Seiten umfassende, gebundene Buch ist uns in einem sehr guten Zustande erhalten geblieben. Der lange Jahre in Aidenbach ansässige Chronist beschreibt in der heute vielen nicht mehr vertrauten „Deutschen Schrift“ auf 514 Seiten das Aidenbach des Jahres 1855. Er erklärt die Lage und die baulichen Eigenarten jedes einzelnen Hauses am Marktplatz und gibt einen Überblick über die Besitzer und Besitzerwechsel der zurückliegenden 200 Jahre. Auf den übrigen Seiten finden sich Abschriften alter sogenannter „Hausbriefe“.
Dabei gliedert Pamler seine Aufzeichnungen nach den damaligen Hausnummern. Freilich weichen die heutigen Hausnummern von der ursprünglichen Ordnung, noch ohne Straßen- und Wegebezeichnungen, ab, doch lassen sich unschwer die Bezüge herstellen. Der Chronist beginnt am östlichen Ende des Marktplatzes mit der Hausnummer 1, „Handlungshaus, ehmals auch Gasthaus“ (heute REWE Markt/Mader), geht dann über zu Haus-Nr. 2, „Handlung“ (heute Marktplatz 1) und setzt die Reihe fort entlang der heutigen Beutelsbacher Straße, um dann die südliche Häuserzeile des Marktplatzes der Reihe nach zu erklären. Seine Erläuterungen erstrecken sich auf die Häuser im Unteren Markt, früher „Eschpat“ genannt, um dann wieder, die nördliche Seite des Marktplatzes zu erreichen bis hinauf zur Pfarrkirche. Insgesamt werden auf diese Weise 102 Häuser erfasst, je nach zugänglichen Wissensquellen mehr oder weniger ausführlich. Die Informationsmöglichkeiten waren im Jahre 1855 für Joseph Pamler durchaus dürftig. So bezog er offenbar mühsam seine Erkenntnisse aus alten Marktpapieren, Gemeinderechnungen, Bürgerverzeichnissen und Hausbriefen.
In seinen Vorbemerkungen erwähnt er selbst: „Leider konnte ich nur von ganz wenigen Häusern sogenannte alte Hausbriefe erlangen, weswegen auch die Berichte über manche Häuser spärlicher ausfallen mussten.“
Nach dem Eintrag über ein betreffendes Haus hat Joseph Pamler einige Seiten freien Raum gelassen, damit zu späterer Zeit notwendige Ergänzungen aus dem Lauf der Hausgeschichte erfolgen konnten. Wie auch anhand der unterschiedlichen Handschriften leicht zu erkennen ist, haben nach Pamler noch zwei bis drei weitere Personen dieses Hausbuch fortgeschrieben. Die Identität der jeweiligen Schreiber konnte leider nicht eindeutig geklärt werden. Einer von ihnen ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der Lehrer Ernst Drexler, der auch die Ortschronik fortgeführt hat. Es ist auffallend, dass die zeitlich jüngeren Eintragungen inhaltlich knapper ausfallen als vordem. So finden sich stichpunktartige Daten, wie etwa der Zeitpunkt und die Art des Erwerbs, die Namen der Besitzer und die Anzahl und Aufzählung ihrer Kinder. Teilweise wurden Erläuterungen über Neu- und Umbaumaßnahmen hinzugefügt. Joseph Pamler selbst schreibt, wie er sich die künftige Führung „seiner“ Hauschronik vorstellt: „Nach der Beschreibung der Besitzer jedes einzelnen Hauses ist ein leerer Raum gelassen, damit man die sich ergebenden Veränderungen jedes Mal gleich eintragen kann, so dass, wenn diese kleine Mühe für die Zukunft nicht unterlassen wird, das Stammbuch mit dem Alter auch an Werthe für die Aidenbacher zunehmen würde.“
Das Marktleben um das Jahr 1855 hatte feste Regeln, die sich in den Rechten und Pflichten der Bewohner, oder „Inwohner“ wie Joseph Pamler sie benennt, bemerkbar machen. Diese Rechte und Pflichten waren grundsätzlich verbunden mit den einzelnen Häusern und so werden sie von Joseph Pamler auch ausführlich erwähnt und erläutert. So ein wesentliches Recht war zum Beispiel das Bürgerrecht. Entweder besaß der Inwohner dieses Bürgerrecht aufgrund seiner Geburt und Herkunft oder aber es musste, wenn man die Vorteile dieses Bürgerrechts nutzen wollte, erkauft werden. Entsprechende Geldbeträge sind jeweils genannt. „Wenn bei manchen Bürgern sich der Geldbetrag angegeben findet, den sie für Bürgerrecht bezahlen mussten, so bedeutet das, dass solche nicht von hier gebürtig waren, denn hiesige Bürgersöhne durften im Falle ihrer Ansässigmachung dahier, bis zum Jahre 1812 herab, nur einen ledernen Wassereimer oder zwei Gulden für Bürgerrecht bezahlen.“ Es gab eben zur damaligen Zeit auch „verschiedene Händler als hiesige Bürger aufgeführt, die aber in der That niemals hier ansässig waren und sich nur das Bürgerrecht erkauft hatten, damit sie bei den Jahrmärkten gleiche Begünstigung wie die hier Ansässigen ansprechen konnten. Solche sind deshalb auch in diesem Buche nicht angegeben.“ Das Besitzen des Bürgerrechts war gleichzeitig auch Status, im Gegensatz zum Beispiel zu einem einfachen „Taglöhner“. Diese Standesunterschiede zeigen sich auch in der Lage der Häuser. Die Bürger hatten ihre Häuser vornehmlich im Bereich des oberen Marktes, die Taglöhner im Unteren Markt, im sogenannten „Eschpat“. Auch erwähnt Joseph Pamler kommunale Ämter und Rollen, so z.B. den „Kammerer“ als wichtiges Amt innerhalb des Marktes Aidenbach.
Neben familiengeschichtlichen Aufzeichnungen bietet die Hauschronik weitere Informationen. Durchaus interessant und aufschlussreich – auch für heutige Leser – sind die von Josef Pamler beschriebenen und den Häusern zugehörigen Handwerke. Dem Leser fällt auf, dass es zu damaliger Zeit sehr viele Bräuer gab, und – für uns heute ungewöhnlich – danach unterschieden wurde, ob sie „weißes Bier“ oder „braunes Bier brauen“ durften. Als heute noch sichtbares Relikt mag die Weißbierbrauerei Woerlein in Aidenbach gelten. Auch die Gasthäuser waren entsprechend danach unterschieden, ob sie „weißes Bier“, „braunes Bier“ oder beide Sorten ausschenken durften. Es wurde aber auch schon damals Wein getrunken. So vermerkt Joseph Pamler bei einigen Bräuern, dass sie an bestimmten Tagen des Jahres Wein ausschenken durften, „aber nur bayerischen“! Er macht aber keine Bemerkungen über die Qualität des ausgeschenkten bayerischen Weines. Neben den Bräuern gab es z.B. Lebzelter, Bäcker, Lederer, Seifensieder, Schuhmacher, Wagner, Hutmacher, Glaser und Seiler, neben anderen. Bemerkenswert ist, dass es, im Vergleich zu heutigen Verhältnissen, häufige Besitzerwechsel innerhalb sehr kurzer Zeiträume gab. Es ist auch kein Einzelfall, dass Häuser untereinander getauscht wurden.
Das „Stammbuch der Hausbesitzer und Familien in Aidenbach“ war immer in Privatbesitz. Josef Pamler hat es anscheinend aus persönlichem geschichtlichem Interesse verfasst. Das von Hand geschriebene Buch verblieb in der Familie Pamler, ging an eine Tochter, Anna Pamler, die sich mit Franz Käser verehelichte, über. Da diese Familie auf dem Hause Nr. 2 ansässig war, ist das „Stammbuch der Hausbesitzer und Familien in Aidenbach“ immer mit diesem Haus verbunden gewesen. Es wurde an eine weitere Generation „Käser“ vererbt und von dieser verwahrt. Als im Jahre 1954 Jakob und Franziska Metz das Haus Nr. 2 erwarben, vereinbarten die Verkäufer Anna und Franz Käser ein lebenslanges Wohnrecht darin. Das Stammbuch war in ihrem Besitz. Im Jahre 1961 erwarb Franziska Metz das Stammbuch von Anna Käser für einen Betrag von 250,-- DM. Es war Frau Käser ein Anliegen, dass dieses Stammbuch „im Hause“ bleibt. Mit dem Tode von Franziska Metz ging dieses Dokument über den Markt Aidenbach in den Besitz ihrer Tochter und Familie über und gehört nach wie vor zum Haus Nr. 2 (heute Marktplatz 1).
Die Abschrift entspricht 1:1 dem handschriftlich vorliegenden Text von Jos. Pamler sowie der nachfolgenden Chronisten (N.N. und Ernst Drexler). Dabei wurden die Schreibweisen jeweils so übernommen, wie von den Chronisten vorgegeben, d.h. Rechtschreibung, Satzbau samt Zeichensetzung, Abkürzungen usw.. Im Laufe der Textübertragung ist bereits aufgefallen, dass speziell für Eigennamen unterschiedliche Schreibweisen – auch parallel – verwendet wurden, z.B. Bäck/Beck, Stümpfel/Stimpfl. Man kann auch sicherlich davon ausgehen, dass den Chronisten inhaltliche und formale Fehler unterlaufen sind. An dieser Stelle bitte ich solche Fehler, die unwissentlich wohl auch bei dieser Abschrift entstanden sind, zu entschuldigen. An vielen Stellen der Hauschronik finden sich nachträgliche Ergänzungen, die am Rande hinzugefügt wurden. In der Abschrift sind sie mit * in den Text eingefügt.
Im Originaltext sind 3 Chronisten chronologisch mit drei unterschiedlichen Handschriften zu erkennen. Dies ist in der Abschrift durch drei verschiedene Schrifttypen wiedergegeben:
- Joseph Pamler: Book Antiqua
- N.N.: Times New Roman
- Ernst Drexler: Arial
so dass anhand der Schritftypen auf den jeweiligen Chronisten geschlossen werden kann. Erläuternde Anmerkungen innerhalb des Texts von Seiten Gerlinde Lichtmannecker, die nicht von den Chronisten stammen, sind durch kursive Schrift kenntlich gemacht. Diese Abschrift des „Stammbuches der Hausbesitzer und Familien“ wurde von Gerlinde Lichtmannecker erstellt und anlässlich der 300-Jahr-Feier der Bauernschlacht am 9. Juni 2006 der Gemeinde Aidenbach übergeben. Damit soll das historische Archiv der Gemeinde vervollständigt und ein Zugriff auf die Daten vor Ort und in zeitgemäßer Form ermöglicht werden.